Vor zwanzig Jahren habe ich damit begonnen, meinen ersten Roman zu schreiben. Drei Jahre zuvor habe ich auf der Brücke über den Gleisen des Bahnhofes in Kalgoorlie-Boulder, einer Wüstenstadt in Westaustralien, gestanden. Ich hatte ein beklemmendes Gefühl, mehr noch, es war Angst. Ein menschenleerer Bahnhof, Sturmböen auf der Brücke, Minuten zuvor Windstille und sengende Hitze. Ich wollte schnellstmöglich die Brücke verlassen. Die Idee für einen Gruselroman war geboren.
Warum hat es dann drei Jahre gedauert, bis ich angefangen habe? Ganz einfach. Ich habe zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nichts gelesen, außerhalb von Fachliteratur und irgendwelchen Dokumentationen, die ich auf der Arbeit lesen musste. Ich hatte keine Ahnung, wie man eine Geschichte schreibt und noch weniger eine Idee, was ich meinem damaligen Lebensgefährten und heutigem Ehemann zum Geburtstag schenken sollte. Auf meine Frage bekam ich die simple Antwort: Ein Buch.
Mir fiel die Brücke über den Gleisen des Bahnhofs von Kalgoorlie wieder ein, der mich so geängstigt hatte.
In nur neun Monaten habe ich einen Text zusammengestrickt, bei dem ich heute nur noch den Kopf schütteln kann. Es gab Unmengen von Leichen, keine ausgearbeiteten Charaktere, dafür jede Menge Geschwafel, Wortwiederholungen, sinnfreie Beschreibungen und ich dachte, das wäre alles spannend. Elf Jahre später habe ich mich hingesetzt, das Erstlingswerk komplett überarbeitet und nun ja. Es ist immer noch stümperhaft.
Ich ließ mich jedenfalls nicht beirren und begeisterte mich immer mehr fürs Schreiben. Zum Lesen hatte ich nach wie vor keine Zeit. Dass Schreiben und Lesen unmittelbar zusammenhängen, war mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst. Ich habe sogar mal auf einer Feier gesagt, auf die Frage hin, was ich denn so lese: „Ich lese nicht. Ich schreibe.“ Und fand das wahnsinnig schlau. Peinlich, wie ich heute weiß.
Wie dem auch sei. Das Schreiben faszinierte mich so sehr, dass ich schnellstmöglich den zweiten Roman realisierte. Nicht zuletzt auch aufgrund der Frage meines Partners: „Könntest du als nächstes die Schweine", gemeint hat er unsere Gartendeko, „zum Leben erwecken?“ Selbstbewusst legte ich los und wurde schnell fertig. Schlecht. Eine mehrfache Überarbeitung hätte gut getan.
Seit zwanzig Jahren schreibe ich also täglich, verfasse Kurzgeschichten, nehme an Wettbewerben teil, bin in Literaturforen unterwegs und lerne jeden Tag dazu. Sätze wie „Ich lese nicht“ werde ich nie wieder in den Mund nehmen!